30.07.2024

Arktischer Sommer – Ein Reisebericht

08.06.-18.06.2024: Expeditionskreuzfahrt in Spitzbergen

Als sich unsere Mitarbeiterin diesen Sommer – relativ spontan – dazu entschloss, an einer elftägigen Segelreise nördlich des Polarkreises teilzunehmen, hatte sie wenig Ahnung, was auf sie zukommen würde und viele Fragen. Es lag also nahe, bei 26°C einen Großteil ihrer Winterausrüstung wieder aus dem Keller zu holen und in ein Flugzeug nach Longyearbyen, Spitzbergen zu steigen, um dort ein paar Antworten zu finden.

Longyearbyen, die Hauptstadt Spitzbergens, liegt bei 78° nördlicher Breite und etwa 1.300 km südlich des Nordpols. Von hier startet die „Rembrandt van Rijn“, ein 100 Jahre alter Dreimaster, ihre Spitzbergenfahrten. An diesem 08. Juni gehe ich bei 6°C mit 23 anderen Passagieren an Bord und treffe dort auf die zwölf Crewmitglieder, inklusive zweier Expeditionsguides, die für die Planung und Durchführung der Landausflüge verantwortlich sind, und uns in den nächsten Tagen die Geologie und Tierwelt der Insel näherbringen werden.

Ich fühle mich sofort sehr wohl und gut aufgehoben. Alle Crewmitglieder sind engagiert und gut gelaunt und schaffen es, die gesamte, sowohl altersmäßig als auch national sehr bunt gemischte Gruppe, mit nur minimalem Chaos durch Kabinenbelegung, Gepäcksortierung, die obligatorischen Sicherheitseinweisungen, das Abendessen und die Vorschau auf den nächsten Tag zu bringen. Ich freue mich jetzt schon sehr auf den Rest der Reise.

Da wir oft über Nacht weiterfahren, beginnt jeder Morgen mit einer Orientierung: wo sind wir jetzt? Von Longyearbyen geht es Richtung Norden an der Westküste Spitzbergens hinauf bis zum Gletscher des 14. Juli. Nach dem Frühstück um acht Uhr folgt ein kurzer Vortrag der beiden Guides, was uns auf unserem ersten Landausflug erwartet. Dann legen wir das erste Mal unsere Schwimmwesten an und setzen uns in die Zodiac-Schlauchboote, mit denen wir an die Küste gebracht werden.

Hier machen wir eine kurze Wanderung, auf denen wir Vögel, Rentiere und Polarfüchse sehen. Dann klettern wir wieder in die Zodiac-Boote und fahren entlang der Vogelfelsen am Eingang der Bucht, bevor wir zum Mittagessen um 13 Uhr wieder auf die „Rembrandt van Rijn“ zurückkehren, die kurz darauf das nächste Ziel ansteuert.

Nach dem Mittagessen folgt der nächste Landausflug, diesmal am Gletscher Lilliehöökbreen. Hier beobachten wir länger ein paar Seehunde im Wasser, die sich von uns nicht stören lassen und Ihre Planschereien ungestört fortsetzen. Danach geht es zurück aufs Schiff, das den Gletscher entlangfährt, sodass wir vom Deck die Aussicht genießen können, bis um 19 Uhr zum Abendessen gerufen wird. Danach folgt noch die abendliche Vorschau auf den nächsten Tag und der Rest des Abends steht zur freien Verfügung.

Bereits am zweiten Tag steigen wir spontan wieder in die Zodiac-Boote, weil von Deck ein Eisbär gesichtet wurde. In angemessenem Abstand beobachten wir die Eisbärin, wie sie eine gute halbe Stunde die Bucht und das Ufer erforscht. Viele fragen sich anschließend: Was soll jetzt noch kommen?

Diese Sorge stellt sich schnell als unberechtigt heraus. In den nächsten Tagen sehen wir unzählige Vögel verschiedenster Arten, Seehunde und Walrösser, beeindruckende Winterlandschaften, klettern auf Berge, um von dort „unser“ Schiff in den Buchten Spitzbergens zu bewundern, stapfen durch Schneefelder, die im Arktischen Sommer langsam anfangen zu tauen, und lernen viel über die Geschichte, die Beschaffenheit und die Flora und Fauna Spitzbergens.

Ein Highlight für Viele war der sogenannte Superpod Belugawale, der unser Schiff im Nordosten der Insel für gut drei Stunden begleitet, während wir, um die Tiere nicht zu verschrecken, mit ausgeschalteten Motoren dahintreiben. Die Anzahl wird auf rund 1.000 Tiere geschätzt und sogar für Großteile der erfahrenen Besatzung ist dies ein einmaliges Erlebnis.

Wir schaffen es bis in den Westen Spitzbergens, und für eine Weile sieht es aus, als könnten wir die Inselumrundung fortsetzen, aber dann wird das Eis zu dicht und wir drehen um und fahren über den Norden wieder zurück, natürlich nicht ohne den Rest der Sehenswürdigkeiten auf dieser Route zu besichtigen. Dies ist ein gutes Beispiel für die Unberechenbarkeit der Elemente so weit nördlich, aber auch für die Erfahrung und Anpassungsfähigkeit der Besatzung an die sich ständig ändernden Begebenheiten.

Zwischen den Aktivitäten bleibt natürlich auch noch Zeit, sich mit den Mitreisenden zu unterhalten, zu lesen, oder an Deck Ausschau zu halten und die Landschaft zu bestaunen. Hier finden wir auch meistens die Guides, die sich von uns jederzeit bereitwillig mit Fragen löchern lassen. Ich bin generell sehr beeindruckt vom Einsatz der Crew, die über die gesamten elf Tage eine unglaublich ansteckende Begeisterung für dieses Abenteuer versprüht. Aber auch meine Mitreisenden mit ihrer Neugierde und Offenheit tragen einen nicht unwesentlichen Teil dazu bei, dass ich am 18. Juni gleichermaßen glücklich und traurig in Longyearbyen wieder von Bord gehe.

Nachdem ich mich, zurück im 30°C heißen Berlin, wieder daran gewöhnt habe nicht jeden Morgen vier Schichten Kleidung anlegen zu müssen, dass mein Bett nicht mehr schaukelt, und dass ich meinen Platz nicht mehr mit 35 anderen Menschen teile, erwische ich mich oft bei dem Gedanken, dass ich all dies sofort wieder machen würde.